Donnerstag, 28. Februar 2013

Trauerchaos

Es ist mal wieder Zeit für Trauerarbeit - heute mal nicht in Briefform. Wohl eher als ungeordnete Gedanken, denn es fühlt sich gerade als Trauerchaos an. Manchmal zumindest. Das mag auch daran liegen, dass ich üblicherweise ein sehr geradliniger, manchmal sogar perfektionistischer Mensch bin.

Ich weiss eigentlich, dass Trauern nicht in ein paar Monaten getan ist. Schon gar nicht nach einem unerwarteten Tod wie einem Suizid. Und doch denke ich oft, "das Ganze ist doch jetzt fast vier Monate her... langsam wird es Zeit, dass es besser wird!". Ich möchte einfach, dass es besser wird.
Und wenn ich das ganz dann so objektiv wie möglich versuche anzusehen, dann ist es auch schon ein gutes Stück besser geworden:
  • ich kann über Andreas sprechen, ohne gleich sofort und immer losweinen zu müssen
  • ich kann die gemeinsame Zeit wertschätzen, ohne mich nach ihr zurück zu sehnen
  • ich sehe auch die schweren Dinge, die Dinge, die nicht so optimal liefen.... kurzum ich "vergöttere" ihn nicht, auch nicht im Nachhinein
  • ich versuche ihn einfach, als Mensch mit allen Facetten in Erinnerung zu behalten.... ihm einen neuen Platz zu geben in meinem Leben, das weitergeht und weitergehen darf (die neue, wunderbare Liebe, der neue Job, meine wenigen aber wertvollen Freunde - all das gibt mir Kraft weiterzugehen)


Doch dann sind da noch folgende Facetten des Chaos', dass Du hinterlassen hast, lieber Andreas:
  • die (irrationale) Angst um die wenigen Menschen, die mir wirklich, wirklich wichtig sind... das auch ihnen etwas passieren könnte
  • dieser Schleier, der mich manchmal nach dem Training überfällt, weil ich mich so unkommunikativ fühle, weil mich seltsamerweise dann soviel an DICH erinnert.... ich hab keine Ahnung wieso
  • die Angst, jetzt irgendetwas falsch zu machen, bei den wunderbaren Themen, die neu am Entstehen sind in meinem Leben
  • mein ganz persönlicher "Spezial-Echolot", der auch seit Volker und Du gestorben seid immer wieder anschlägt, obwohl ich mir so sehr vornahm, nur noch alle anderen Strategien zu nutzen, die ich in den letzten 16 Jahren lernen durfte..... jaaaaaa, ich weiss, das ist "normal", das gehört dazu, ich soll froh sein, dass ich ES habe, ES überstanden habe, ES hat mich (auch) zu dem gemacht, wer und was ich heute bin.... aber ich bin doch so schrecklich ungeduldig.... manchmal
  • dieses mich-immer-wieder-fragen-ob-ich-alles-richtig-gemacht-habe-auch-wenn-ichs-eh-nicht-mehr-ändern-kann-und-ich-Deinen-Entschluss-und-Deinen-Weg-doch-respektieren-und-akzeptieren möchte
  • dieses mich-schlecht-fühlen, wenn ich darüber nachdenke, von Deinem Tod anderen Menschen erzählen zu "müssen".... und es auf der anderen Seite einfach manchmal am liebsten laut rausschreien zu wollen.... wie ein Befreiungsschlag
  • ich hadere mit mir, weil ich mit der Selbsthilfegruppengründung nicht weiterkomme, weil ich die andere Betroffene nicht kontaktiere, weil ich Deinen Freunden und Deinem Onkel mindestens genauso unregelmäßig antworte wie sie mir, weil ich mich da gedanklich verliere statt bei mir zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass es für alles und jedes den richtigen Zeitpunkt gibt.... dieses Vertrauen fällt so schwer


Ja, ich weiss ja, ich sollte geduldiger mit mir sein. Deinen Tod zu verarbeiten braucht Zeit. Jetzt bin ich wieder fast beim Brief. Was hast Du Dir gedacht, als Du vor vier Monaten den Grill angezündet hat, das Bad abdichtetest und Dich hingelegt hast? WAS ZUR HÖLLE HAST DU DIR DABEI GEDACHT??? Ja, vermutlich war es ruhig und richtig für Dich. Der einzige Ausweg. Und kein Platz noch darüber nachzudenken, was es mit uns allen macht. Das sagt wieder mein Kopf. Und mein Herz hofft, dass Du wenigstens einen Moment an uns alle dachtest. An die guten Zeiten zusammen. An das, was wir uns geben konnten. Und dass Dich diese Gedanken "hinüber" begleitet haben mögen.

In Deine ganz eigene Form der Ruhe und Geborgenheit.

Ich kann es noch immer nicht verstehen, Andreas. Doch ich werde versuchen, Deinen Entschluss zu akzeptieren. Und ich möchte mehr Geduld mit mir haben. Liebevoller zu mir sein. Und mich weiterhin in Vertrauen üben. Eine echte LEBENSaufgabe. Ich will doch weiterleben. Es wartet noch soviel auf mich. Ich möchte noch sovieles erLEBEN. Ich bin noch nicht fertig!

C.


Ich höre "Dein" hallelujah.... ich denke daran, wie Volker und Du "da oben sitzt und Äppelwoi trinkt.... ich weine endlich wieder ein paar Tränen, es ist wie Schleusen öffnen... ich wünsche Dir Glück

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